Donnerstag, 25. Januar 2007

Männer und Frauen sind auch nur Menschen

So. Halleluja. Ich danke den Wissenschaftlern (natürlich den weiblichen und den männlichen, damn) und der Journalistin Eva-Maria Schnurr, die folgenden Artikel im Zeit Wissen geschrieben hat: http://www.zeit.de/zeit-wissen/2007/01/Titel-Frauen-Maenner

Es ist fast unnötig, dem etwas hinzuzufügen. Für die Lesefaulen möchte ich aber an dieser Stelle die wichtigsten Punkte aus dem Artikel wiederkäuen.

1. Die Unterschiede zwischen Männern und die Unterschiede zwischen Frauen sind viel größer als die Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
2. Es ist nicht möglich, anhand eines Fragebogens, irgendwelcher Testbatterien, Leistungstests (Rückwärtseinparken...) etc. der geschlechteranonym abgegeben wird, mit halbwegs sicherem Ergebnis zu raten bzw. statistisch festzustellen, ob eine Frau oder ein Mann ihn ausgefüllt bzw. absolviert hat.
3. Es ist nachweisbar, dass geschlechterstereotype Erwartungen die Leistungen in Tests signifikant verschlechtern.
4. Die vorhandenen Belege, dass Testosteron Leistungen und Verhalten beeinflusst, werden gnadenlos überinterpretiert in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Außerdem unterliegt die Testosteronkonzentration im Blut von Männern wie Frauen erheblichen Schwankungen.
5. Babys werden je nach Geschlecht auch von progressiven Eltern so verschieden behandelt, Kinder auch, dass man im Grunde nie behaupten kann, dass Verhaltensunterschiede biologische Unterschiede sind.
6. Für die Fans der evolutionsbiologischen Erklärungen: Man weiß gar nicht so genau, ob Männer gejagt und Frauen gesammelt haben. Es gibt Belege, dass es nicht (nur) so war.

*gg*

So sehr mich der Artikel freut, weil er vieles, was ich schon immer so dachte, auf den Punkt bringt, so sehr macht es mich wütend, dass die gesellschaftlichen Erwartungen und populäre Stereotype wie "Frauen haben kein Talent für Naturwissenschaften" die Macht haben, einzelne Menschen und die Gesellschaft so nachhaltig zu beeinflussen.

Was kann man dagegen machen? Ich hatte ja mal die Idee, eine kleine Reihe Aktionen "Genderterrorismus für den Alltag" zu erfinden. Auf der Stereotyp-Bekämpfungsebene war mir eingefallen: Man könnte bei allen Tätigkeiten, Talenten und Dingen, die stark gender-konnotiert sind, beim Erzählen im Alltag immer (sei es wahr oder gelogen) den gender-untypischen Sachverhalt behaupten.
Z.B.: "Zum Glück kommt meine Mutter und hilft mir, die Wohnung zu renovieren." oder "Unsere Mathematikprofessorin hat...", "die Väter im Supermarkt mit ihren quengelnden Kindern..." oder so. Wichtig ist, dass das beiläufig kommt und dabei nicht so ein "obwohl es doch sonst eigentlich umgekehrt ist" mitschwingt. Es muss selbstverständlich sein. Denn wenn ich es als Sensation verkaufe, dass ich (als Frau) weiter werfe als mein Bruder und mehr Ahnung von Computern habe als mein Freund, dann ist das ja als Ausnahme von der Regel deklariert und festigt wieder den Stereotyp. Schwierig.

Hat irgendwer bessere Ideen? Hilft es, immer wieder Studien zu zitieren? Was hilft?

Was mich auch noch irritiert an dem Thema. Ich habe früher nicht darüber nachgedacht, sondern es war selbstverständlich, dass es keine nennenswerten Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt. Ich hatte nie die Vorstellung, dass "Männer" und "Frauen" sich "einfach nicht verstehen" könnten. Eher hatte ich den Verdacht, dass John Gray vom Mars oder von der Venus kommt aber noch nie auf der Erde war. Aber dieses ständige Thematisieren, Frauenzeitschriften, Ratgeberliteratur (ich bin beim Anblick dieser Liste eben echt erschrocken: http://amazon.de/s/ref=nb_ss_w/302-3902512-6704849?__mk_de_DE=%C5M%C5Z%D5%D1&url=search-alias%3Daps&field-keywords=M%E4nner+Venus&Go.x=0&Go.y=0 ) hat dazu geführt, dass ich bestimmte Sachen selbst langsam geglaubt habe. Ich höre damit sofort wieder auf. Keine Trennung mehr in Jungs und Mädels, Männer und Frauen.

Schließlich sind wir alle Menschen, wer wäre es nicht. Hat schon Thornton Wilder so hübsch formuliert. Amen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn ein weiblicher Ginkgobaum (Ginkgo biloba ist zweihäusig) wüsste, dass seine Früchte stinken, würde er sich nie in einen Park trauen.

Was würde den aufmerksamen Parkbesuchern gross und klein für eine Freude beim Spekulieren über die stinkenden Früchte entgehen!

Zum Glück wird ein weiblicher Gingkobaum erst mit 20 bis 35 Jahren geschlechtsreif. Bis dahin kann er inkognito leben und sich auf den Spass freuen.

Anonym hat gesagt…

Da fällt mir wiedermal was für die Anekdotensammlung ein: Physik-LK, erste Stunde, 13 Mann, davon zwei Mädchen. Am Ende der Stunde kommt die Lehrerin (!) an unseren Tisch und erkundigt sich mit anscheinend echter Besorgnis: "Und, haben es die Mädchen auch verstanden?"

Bei diesen ganzen Spinnereien zu genderterroristischer Verunsicherung habe ich immer so meine Sorge, ob man damit nicht eher das Gegenteil erreicht und genau wie die Feministen erst recht auf den Unterschieden herumreitet bzw. ihre Existenz betont. Da würde ich lieber wirklich neutrale Wörter wie "Elter" einführen, das Weibliche aus der Mutter entfernen und durch nichts männliches ersetzen. Der erste, die "Elterin" sagt wird übrigens erschossen.

So, nun hat mir Dein und der Zeit Artikel über einen quälend langen Download hinweggeholfen und ich bin noch nicht mal mit Antworten fertig. Kriegst Du halt irgendwann noch mehr Kommentar. Gruß aus L.E.