Dienstag, 10. Juli 2007

Ein paar Gedanken zum alternativen CSD

Die folgende Rede richtet sich an die Mitstreitenden des "CSD selber machen" in Köln, also auch an Leute, die noch kein rechtes Bewusstsein für Genderterror entwickelt haben... also eine Art "Grundkurs".


Liebes queeres Volk,
stellt euch mal folgendes vor:
Es braucht keinen CSD, keinen alternativen CSD, auch keinen dritten, ganz anderen CSD, sondern gar keinen CSD.
Eure Nachbarn interessieren sich nicht dafür, ob ihr ein Paar oder ne WG seid.
Euern Eltern ist es egal, wen ihr mit nach Hause bringt.
Und wer in der Beziehung der Mann oder die Frau ist, kratzt niemanden.
Weil ihr einfach nur zwei Menschen seid.
Nicht zwei Jungs, die sich eigentlich für Autos und Fußball interessieren müssten, jederzeit die Situation im Griff haben und die ihre Männlichkeit auf dem Schulhof durch Schwulenwitze unter Beweis stellen müssen.
Auch nicht zwei Mädels, die sich ruhig auch mal schminken könnten, Kind und Karriere souverän unter einen Hut bringen und im Ehebett einen perfekten Orgasmus vorzutäuschen haben.
Einfach nur: zwei menschliche Wesen.
Denn ihr lebt in einer Welt, in der Kinder soviel mit Puppen, Autos oder meinetwegen Schlamm spielen können, wie es ihnen passt.
In der Babys bei der Geburt nicht in blau und rosa aufgeteilt werden.
Und in der Erwachsene sich nur noch Sorgen um ihre menschlichen Qualitäten machen müssen, und keine Angst haben, sie seien möglicherweise nicht feminin genug oder, viel schlimmer, zu feminin.
Eine Welt, in der dann auch die Frage, ob man auf Männer oder Frauen steht ungefähr so relevant ist wie, ob man lieber einfarbige oder geringelte Socken trägt.

Offensichtlich leben wir leider in keiner solchen Welt.
Im Gegenteil. Allerorten wird trotz gegenteiliger wissenschaftlicher Erkenntnisse behauptet, dass Frauen „anders“ ticken würden als Männer, wobei man die patriarchal geprägten Medien genau an dieser Formulierung erkennt.
Der Mann ist immer noch die Regel, die Frau die „andere“.
Letzte Woche schrieb die Zeit, dass „aufgeklärte“ Eltern von Zwillingen, einem Mächen und einem Jungen, feststellen mussten, dass der Junge viel lieber mit technischem Gerät spielte und das Mädchen viel lieber mit Puppen. Dabei hätten die Eltern doch gar nichts gemacht.
Hurra, es ist doch angeboren und Eva Herrmann hat Recht! Frauen wollen einfach nichts anderes.
In den vereinigten Staaten ist die Diagnose „Geschlechtsidentitätsstörung in der Kindheit“ wieder der Renner.
In der Spieltherapie können kleine Kinder lernen, sich trotz ihrer persönlichen Neigungen genderkonform zu verhalten.
Wenn man durch die Kaufhäuser läuft, hat man den Eindruck, noch nie gab es soviele Jungen und Mädchen und so wenig Kinder.
Als hätte es die 70er und 80er nie gegeben.
Bis auf ein paar verstreute feministische Menschen, die kleine queere Bewegung sowie ein paar Tunten und Spinnerinnen scheint niemand mehr an den Kategorien rütteln zu wollen.
Der kleine Unterschied bleibt verdammt groß.
Und wehe der, die es wagt, den Genderzaun zu überklettern, die gesellschaftlich vorgegebenen Schranken zu überwinden oder gleich ganz zu ignorieren. Die Gesellschaft und stellvertretend Politik und Gesetzgeberin, wirken verunsichert und unbeholfen im Umgang mit Menschen, die sich in keine der zwei Schubladen pressen lassen wollen oder nicht in der angeborenen kleben bleiben wollen.
Für Menschen, die sich nicht als „männlich“ oder „weiblich“ labeln lassen wollen, gibt es keine grammatikalische Form, kein auswählbares Feld bei „Anrede“, keine öffentliche Toilette und in Deutschland auch keine zugelassenen Vornamen.
Das ist umso absurder, als Intersexualität exisitiert und kleine Kinder auf die Welt kommen, die sich rein biologisch gar nicht gut klassifizieren lassen. Anstatt ihnen einen rosa-blau-gestreiften Strampler anzuziehen werden diese Kinder so lange operiert, bis sie äußerlich eindeutig rüberkommen. Es ist für Eltern kaum zu ertragen ein geschlechtlich uneindeutiges Kind zu haben – auch diese Tatsache zeigt, wie weit wir von jener Utopie entfernt sind, die ich am Anfang beschrieben habe.
Diejenigen Transgender, die gern offiziell im anderen als ihrem biologischen Geschlecht leben wollen, können zwar ihre Namen ändern und unter erheblichen Kämpfen Operationen und Hormone bezahlt bekommen, müssen sich dafür aber mit Psychiaterinnen und Psychologen auseinandersetzen, die die Männlichkeit des Transmannes in Frage stellen, wenn er lange Haare trägt oder schwul ist. Weder unter pädagogisch Arbeitenden noch unter therapeutisch Tätigen ist Wissen um Transsexualität verbreitet. Die Situation erinnert ziemlich stark an die Zeiten, in denen versucht wurde, Homosexualität zu therapieren, mit Kindheitserlebnissen zu erklären oder ihre Existenz gleich komplett zu leugnen.
Und auch Menschen, die prinzipiell nichts dagegen haben, als „Frau“ oder „Mann“ zu gelten, aber ihre eigenen Auslegungen dieser Begriffe praktizieren, d. h. einfach leben, wie sie das gern möchten, ecken an – nicht zuletzt eben auch Frauen, die Frauen lieben und Männer, die Männer lieben. Oder Menschen, die sich noch nichtmal auf Homo- oder Heterosexualität festlegen können und möchten.

Wir brauchen ein neues Bewusstsein dafür, wie sehr wir und andere immer noch und gerade wieder durch Geschlechterstereotypen eingeengt werden. Wir brauchen eine breite feministische Bewegung, deren Ziel wirkliche Gleichberechtigung ist. Helft mit, einen gesellschaftlichen Diskurs zu initiieren, der aufzeigt, wo patriarchale Mechanismen uns hindern, unser Leben zu leben. Nicht als Männer und Frauen, sondern gemeinsam sind wir stark, Diskriminierungen abzuschaffen und wirkliche Genderfreiheit durchzusetzen. Für Vielfalt und Kreativität statt heteronormativer Zwangszweiteilung.

Danke!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

DANKE!!!

Mensch ich bin echt froh, dass es Dich gibt, dass Du schreibst und dass ich Dich kennenlernen durfte!

Nochmal Danke!

Caro.